Immunsystem stärken, Prävention

Teil 2: Stärke Dein Immunsystem – wissenschaftlich fundiert. Einfluss körperlicher Aktivität auf Immunzellen und Immunmechanismen

Einfluss körperlicher Aktivität auf Immunzellen und Immunmechanismen

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Regelmäßige Bewegung stärkt das Immunsystem – entscheidend ist dabei die richtige Dosis. Schon eine einzelne Trainingseinheit aktiviert Abwehrzellen, die Krankheitserreger schneller erkennen und bekämpfen. Besonders moderates Training verbessert die Arbeit der „Fresszellen“ und der natürlichen Killerzellen, die eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Viren und Bakterien spielen.

Bewegung wirkt außerdem entzündungshemmend: Sie senkt schädliche Dauerentzündungen und unterstützt Heilungs- und Regenerationsprozesse. Auch das Immun-Gedächtnis profitiert – regelmäßige Aktivität stabilisiert die langfristige Abwehr und kann die Schutzwirkung von Impfungen verbessern.

Zu intensives oder sehr häufiges Training ohne ausreichend Erholung kann das Immunsystem jedoch kurzfristig schwächen und die Infektanfälligkeit erhöhen. Am besten für die Abwehr ist daher regelmäßige, mäßige Bewegung in Kombination mit ausreichend Schlaf, guter Ernährung und Erholung.

Körperliche Aktivität hat einen deutlichen Einfluss auf die Funktion des Immunsystems. Bewegung wirkt – abhängig von Intensität, Dauer, Trainingszustand und Regeneration – entweder immunfördernd oder (bei übermäßiger Belastung) vorübergehend mit einer verminderten Immunfunktion assoziiert. Moderate, regelmäßige Bewegung wird allgemein als immunfördernd betrachtet: Sie aktiviert angeborene und adaptive Abwehrmechanismen, senkt das Infektionsrisiko und kann altersbedingte Immunabbauprozesse verlangsamen. Im Gegensatz dazu können sehr intensive oder lang andauernde Belastungen (z. B. Marathonläufe) zu einer kurzfristigen Abschwächung einzelner Immunfunktionen in den Stunden nach der Anstrengung beitragen (häufig als „Open-Window“-Phänomen beschrieben), wodurch die Anfälligkeit für Infektionen erhöht sein kann. Die folgenden Abschnitte beleuchten, wie sich akute und chronische Bewegung auf spezifische Komponenten der angeborenen und adaptiven Immunantwort auswirken, und wie moderate versus intensive Belastungen unterschiedliche Immunreaktionen hervorrufen. Abschließend wird auf die immunologischen Konsequenzen von Übertraining eingegangen, also einem Zustand chronischer Überbelastung ohne ausreichende Regeneration.


Angeborene Immunantwort und Bewegung

Die angeborene Immunität bildet die erste Verteidigungslinie gegen Infektionen. Zu ihren Zelltypen zählen u. a. neutrophile Granulozyten, Monozyten/Makrophagen und natürliche Killerzellen (NK-Zellen). Körperliche Aktivität kann die Verteilung und Funktion dieser Zellen akut beeinflussen und bei regelmäßigem Training zu Anpassungen führen.

Neutrophile Granulozyten

Neutrophile werden durch körperliche Belastung mobilisiert. Bereits eine einzelne Trainingseinheit erhöht vorübergehend die Zahl zirkulierender Neutrophiler (Leukozytose), u. a. infolge von Stresshormonausschüttung (insbesondere Adrenalin) und hämodynamischen Effekten. Besonders moderates Ausdauertraining verbessert die Funktion neutrophiler Granulozyten: Studien zeigen, dass sich Phagozytosefähigkeit und oxidative Burst-Kapazität unter regelmäßiger moderater Belastung steigern können. Bei moderater Intensität werden Chemotaxis, Aufnahme und Abtötung von Bakterien durch Neutrophile in vielen Untersuchungen deutlicher verbessert als bei sehr hoher Intensität. Zudem kann moderates Training die bakterizide Aktivität der Neutrophilen aufrechterhalten, selbst bei übergewichtigen Erwachsenen mit Risikofaktoren.

Mechanistisch erhöht moderate Bewegung die intrazellulären Antioxidantien (z. B. Glutathion) und verzögert die Apoptose von Neutrophilen – beides Faktoren, die die Abwehrkraft der Neutrophilen fördern. Akute Belastungen können darüber hinaus die Ausschüttung von Zytokinen und Chemokinen wie CCL2 und CXCL2 im Muskel induzieren, welche Immunzellen an den Ort der Belastung rekrutieren und so Reparatur- und Anpassungsprozesse unterstützen. Bei sehr intensiver oder lang andauernder Belastung steigt zwar ebenfalls die Zahl der Neutrophilen, doch kann eine übermäßige Aktivierung zur Gewebeschädigung beitragen und eine Entzündungsreaktion aufrechterhalten, bis Regeneration einsetzt. Insgesamt stärkt jedoch vor allem moderate Aktivität die neutrophilen Abwehrfunktionen und trägt damit zur Infektabwehr bei.

Monozyten und Makrophagen

Monozyten im Blut und die aus ihnen hervorgehenden Gewebsmakrophagen gehören ebenfalls zur angeborenen Abwehr und können durch Sport in ihrem Verhalten und ihrer Funktion umprogrammiert werden. Akute Belastung führt zu einer kurzfristigen Umverteilung von Monozyten: Während und unmittelbar nach intensivem Training werden vermehrt proinflammatorische (CD16⁺) Monozyten ins Blut und in belastetes Gewebe (z. B. Muskulatur) ausgeschwemmt. Dieser akute Schub „M1-artiger“ Monozyten dient dazu, entstandene Schäden zu beseitigen und Pathogene abzuwehren, geht aber mit entzündungsfördernden Signalen einher.

Langfristiges Training hat dagegen tendenziell antiinflammatorische Effekte auf das Monozyten-/Makrophagen-System. Regelmäßiges moderates Ausdauertraining verändert die Verteilung der Monozytensubsets zugunsten klassischer Monozyten (CD14⁺⁺ CD16⁻) und reduziert den Anteil entzündungsaktiver Zwischen- und nichtklassischer Monozyten. Gleichzeitig kann die Expression proinflammatorischer Oberflächenmarker wie CD16 sowie der Pattern-Recognition-Rezeptoren TLR2/TLR4 auf Monozyten sinken. Dies weist darauf hin, dass moderates Training den entzündlichen Phänotyp der Monozyten abschwächt und die Immunregulation fördert.

Begleitend werden Makrophagen metabolisch umprogrammiert: Moderate Bewegung verbessert ihre Mitochondrienfunktion und fördert eine Polarisierung in Richtung M2-Phänotyp (antiinflammatorische Gewebereparatur-Makrophagen). So kann Ausdauertraining beispielsweise einen Anstieg von IL-13 induzieren, welches über STAT3 die M2-Polarisierung unterstützt. In Studien zeigte sich nach einigen Wochen moderaten Trainings eine Zunahme von M2-Makrophagen-Markern (z. B. IL-10) bei gleichzeitiger Abnahme von M1-Markern (z. B. MCP-1). Personen, die regelmäßig sportlich aktiv sind, weisen zudem eine geringere Expression des Entzündungsrezeptors CCR2 auf Monozyten auf und nach Belastung eine stärkere M2-Ausrichtung als Untrainierte.

Diese Daten unterstreichen, dass moderates Training chronische Entzündung dämpfen kann, indem es Makrophagen hin zu einem heilungsfördernden Programm verschiebt. Wichtig ist jedoch die zeitliche Dynamik: Direkt nach akuter Belastung dominieren M1-Aktivität und Entzündung, während in der Erholungsphase und bei längerem Training M2-Antworten überwiegen. Dieses zweiphasige Muster erklärt, warum intensive Dauerbelastungen ohne ausreichende Erholung eine dauerhafte Entzündung begünstigen können, wohingegen mit Erholungsphasen durchsetztes Training eine entzündungshemmende Wirkung entfaltet.

Experimentelle Studien bestätigen zudem, dass moderates Training die Funktion von Makrophagen steigert und die Krankheitsabwehr verbessert: Bei älteren Mäusen kehrte regelmäßige Bewegung altersbedingte Defizite der Makrophagen (z. B. geringere antivirale Aktivität) um, und in Infektionsmodellen (z. B. Influenza, Pneumonie) steigerte Training die Makrophagenzahl im betroffenen Gewebe und förderte eine antiinflammatorische Gewebeheilung. Insgesamt führt dosierte, moderate Bewegung zu weniger entzündungsbereiten Monozyten, leistungsfähigeren Makrophagen und einer besseren Immunbalance, während akute Überlastung kurzfristig Entzündung auslöst.

Natürliche Killerzellen (NK-Zellen)

NK-Zellen sind effektive Abwehrzellen der angeborenen Immunität, die infizierte oder entartete (Tumor-)Zellen erkennen und abtöten. Körperliche Aktivität beeinflusst NK-Zellen stark, da Stressmediatoren wie Adrenalin viele NK-Zellen rasch aus Milz und Gewebe ins Blut mobilisieren. Akut kommt es daher während moderater Belastung zu einem Anstieg der NK-Zellzahl, die jedoch wenige Stunden nach Belastungsende wieder auf das Ausgangsniveau absinkt. Dieser vorübergehende Anstieg betrifft vor allem hochzytotoxische NK-Subtypen (z. B. CD56^dim, CD57⁺), die gezielt ins Blut ausgeschwemmt werden. Bereits kurze, moderate Einheiten (z. B. 15 Minuten Radfahren bei etwa 55 % der maximalen Herzfrequenz) können ausreichen, um diese zytotoxischen NK-Zellen zu mobilisieren.

Chronisches moderates Training führt langfristig zu einer erhöhten NK-Zellaktivität und einer stärkeren Immunüberwachung gegen Viren und Tumore. So bewirkte z. B. ein mehrwöchiges moderates Ausdauertraining eine Zunahme peripherer NK-Zellen und der NK-Zytotoxizität. Auch steigt der Anteil besonders wirkungsvoller NK-Subpopulationen im Blut nach Training, was die antitumorale Abwehr verbessern kann. Zudem regen durch Muskelarbeit freigesetzte Botenstoffe wie IL-15 die Proliferation und Reifung von NK-Zellen an. Moderate Bewegung könnte dadurch auch bei der Entfernung seneszenter (gealterter) Zellen helfen, indem sie NK-Zellen stimuliert, die solche Zellen beseitigen (sogenannte immune-mediated senolysis).

Im Gegensatz dazu hat intensive körperliche Belastung komplexere Effekte auf NK-Zellen. Zu Beginn einer harten Belastung steigt die NK-Zellzahl ähnlich an, durch die starke Katecholamin-Ausschüttung mit Mobilisierung vieler NK-Zellen ins Blut. Nach dem Training jedoch fällt die Zahl der NK-Zellen im Blut deutlich ab (teils unter Ruhewerte), und vor allem ihre Funktion wird vorübergehend gedrosselt. Studien berichten, dass nach intensiver Ausdauerbelastung die NK-Zellaktivität (etwa die Fähigkeit, IFN-γ zu produzieren) für 1–2 Stunden signifikant reduziert ist. In einem Versuch verringerte 60 Minuten Laufen bei etwa 75 % V̇O₂max die NK-Zellaktivität so stark, dass sie noch am Folgetag unter dem Ausgangswert lag. Auch Tierexperimente zeigen eine vorübergehende NK-Unterdrückung nach erschöpfender Belastung. Diese reduzierte NK-Funktion unmittelbar nach extremer Anstrengung gilt als ein Schlüsselfaktor der kurzfristigen immunologischen Verwundbarkeit im „Open-Window“-Intervall.

Bei anhaltend sehr hoher Belastung oder Übertraining kann sich dieser Effekt längerfristig fortsetzen: Die NK-Zellzahlen können sich zwar bei chronisch intensiver Belastung anpassen, doch bleibt ihre Funktion dann oft unterdrückt. Dieser Zustand einer funktionellen Erschöpfung der NK-Zellen trägt dazu bei, dass überlastete Sportler anfälliger für Infektionen sind. Zusammenfassend steigert moderates Training die Anzahl und Angriffskraft der NK-Zellen, während sehr intensive Einheiten vorübergehend die NK-Funktion drosseln können, insbesondere wenn sie ohne ausreichende Erholung gehäuft auftreten.


Adaptive Immunantwort und Bewegung

Die adaptive (erworbene) Immunantwort umfasst vor allem die Lymphozyten – T-Zellen und B-Zellen – sowie die von B-Zellen gebildeten Antikörper. Auch diese Komponenten werden durch körperliche Aktivität moduliert. Moderate Bewegung kann die adaptiven Abwehrmechanismen effizienter machen, während äußerst intensive Belastung zeitweilig zu Dysbalancen (etwa einem Shift in der T_H-Zellantwort) oder einer Reduktion bestimmter Lymphozyten führen kann.

T-Lymphozyten

T-Zellen spielen eine zentrale Rolle in der zellvermittelten Immunität (z. B. Bekämpfung virusinfizierter Zellen) und in der Regulation der Immunantwort. Körperliche Aktivität führt zu einer Umverteilung von T-Lymphozyten im Körper: Während einer Belastung steigt die Anzahl von T-Zellen im Blut an, da sie aus Reservoirs mobilisiert werden. Nach Beendigung der Anstrengung sinkt die Lymphozytenzahl jedoch durch Umverteilung ins Gewebe ab, teils sogar unter Ausgangswerte (post-exercise Lymphopenie). Dieser Effekt ist bei intensiver Ausbelastung besonders ausgeprägt: Kurz nach schwerer körperlicher Anstrengung findet man oft weniger zirkulierende T-Zellen als vorher, was auf eine vorübergehende Verlagerung von T-Zellen in periphere Gewebe und mögliche Funktionseinbußen hindeutet.

Gleichzeitig kann sich das Verhältnis der T-Helferzellsubtypen verschieben: Intensive Belastungen bewirken häufig einen temporären Übergang zu einer T_H2-dominierten Antwort, da die Produktion von Th1-Zytokinen (z. B. IFN-γ) sinkt und antiinflammatorische Th2-Zytokine (z. B. IL-10) relativ zunehmen. In Studien sank nach erschöpfendem Training die Zahl der IFN-γ-produzierenden Th1-Zellen signifikant, während IL-4-sezernierende Th2-Zellen unverändert blieben; andere Untersuchungen zeigten einen Anstieg von IL-10 nach intensiver Belastung. Diese Th1/Th2-Verschiebung zugunsten entzündungshemmender Th2-Signale könnte die antivirale und antitumorale Immunität kurzfristig beeinträchtigen.

Außerdem steigt nach akuter intensiver Belastung der Anteil regulatorischer T-Zellen (T_reg), die das Immunsystem bremsen. Dieser Anstieg an T_reg kann zwar übermäßige Entzündungen abpuffern, könnte aber ebenfalls zur Phase verminderter Immunreaktivität nach harter Anstrengung beitragen.

Demgegenüber bewirkt moderate körperliche Aktivität vorteilhafte Anpassungen der T-Zellantwort. Akut moderate Belastung erhöht z. B. die CD8⁺-Zellzahl im Blut vorübergehend, was als verstärkte Immunüberwachung interpretiert werden kann. Regelmäßiges moderates Training kann zudem negative Effekte intensiver Belastung abmildern – so zeigte sich, dass gut trainierte Personen nach einer Überbelastung keinen so starken CD4⁺-Zellabfall aufwiesen wie Untrainierte.

Vor allem aber fördert moderates Ausdauertraining die Funktionalität von T-Zellen: Es steigert die Proliferationsfähigkeit von CD4⁺-T-Helferzellen und deren Zytokinproduktion nach Antigenreizen (etwa einer Impfung). Beispielsweise wurde beobachtet, dass moderat trainierte ältere Erwachsene bessere T-Zell-Antworten auf Impfungen zeigen – mit erhöhter CD4-Proliferation und vermehrter IFN-γ-Ausschüttung – verglichen mit inaktiven älteren Menschen.

Moderates Training unterstützt auch eine ausgewogene T_H1/T_H2-Balance. Anders als extreme Belastungen, die temporär T_H1 unterdrücken, kann mäßiges Training sowohl T_H1- als auch T_H2-Reaktionen verbessern und in Balance halten. Studien berichten, dass bereits einzelne moderate Einheiten das IL-2/IL-4-Verhältnis erhöhen (zugunsten von IL-2 als Th1-Zytokin) und dass mehrwöchiges moderates Training die IFN-γ- und IL-2-Produktion steigert. Gerade bei älteren Menschen fand man unter regelmäßiger mäßiger Aktivität eine Zunahme naiver T-Zellen mit CD28 (ein relevanter Marker im Kontext immunologischer Alterungsprozesse) und Th1-Zellen, was auf eine „Verjüngung“ des T-Zell-Profils hindeuten kann. Insgesamt unterstützt moderate Bewegung die T-Zell-Funktionen und erhält ein gesundes Gleichgewicht zwischen zellulärer und humoraler Abwehr.

Demgegenüber sind intensive Belastungen mit vorübergehenden Einbußen der T-Zellantwort verbunden, insbesondere durch die beschriebene Th1-Abnahme und T_reg-Zunahme. Bei chronisch überhöhtem Trainingspensum können zudem Anzeichen vorzeitiger Immunalterung auftreten: Leistungssportler unter jahrelangem Hochleistungstraining weisen z. B. vermehrt differenzierte, „erschöpfte“ T-Zellen (u. a. CD8⁺CD57⁺, KLRG1⁺) und ein niedrigeres CD4/CD8-Verhältnis auf, begleitet von einer Verschiebung Richtung Th2-Antwort. Solche Befunde ähneln Aspekten der Immunoseneszenz und gehen mit erhöhter Infektanfälligkeit einher. Moderate Bewegung tendiert dagegen dazu, immunologische Alterserscheinungen abzuschwächen (z. B. durch Erhöhung der IL-2-Produktion und Erhalt des naiven T-Zell-Pools).

B-Lymphozyten und Antikörper

B-Zellen produzieren als Teil der adaptiven Immunantwort spezifische Antikörper (Immunglobuline). Körperliche Aktivität beeinflusst B-Zellen indirekt über neuroendokrine Faktoren und Zytokine und damit auch die Menge an Antikörpern in Blut und Schleimhäuten.

Akute körperliche Belastung führt zu Schwankungen in der B-Zellzahl: Während moderater Sport kurzfristig kaum negative Auswirkungen hat oder sogar leichte Anstiege bestimmter B-Zellen bewirken kann, sieht man nach intensiven Ausdauereinheiten oft einen leichten Abfall zirkulierender B-Zellen direkt nach dem Training (analog zur T-Zell-Lymphopenie). Insbesondere erschöpfende Belastung kann die Antikörperkonzentrationen vorübergehend senken. So wurde beobachtet, dass nach stundenlangem intensivem Militärtraining die Serumspiegel von IgA, IgG und IgM signifikant sanken. Auch bei Ausdauersportlern (z. B. Radfahrern und Schwimmern) findet man post exercise oft verminderte Immunglobulin-Level, insbesondere sekretorisches IgA im Speichel, das eine zentrale Rolle in der Schleimhautimmunität spielt. Dieser IgA-Abfall korreliert mit einer höheren Anfälligkeit für Infekte der oberen Atemwege. Das „Open-Window“-Fenster nach intensiven Einheiten ist daher auch durch eine vorübergehend geschwächte humorale Abwehr gekennzeichnet.

Regelmäßige moderate Bewegung dagegen wirkt sich positiv auf B-Zellen und Antikörperantworten aus. So steigert moderates Ausdauertraining die Immunglobulinspiegel im Blut über längere Zeit. Bei älteren Erwachsenen führten z. B. 15 Wochen moderaten Trainings zu signifikanten Erhöhungen von IgG, IgM und IgA im Serum. Auch Impfantworten fallen unter körperlich aktiven Bedingungen besser aus: Moderate Trainingsprogramme verbesserten nach Grippeimpfung die IgM- und IgG-Spiegel bei Senioren. In einer Studie mit älteren Personen wurde zudem eine Zunahme der Speichel-IgA-Konzentration durch moderate sportliche Betätigung festgestellt. Da sekretorisches IgA einen wichtigen Schutz vor respiratorischen Infekten darstellt, erklärt dies mit, warum moderater Sport das Erkältungsrisiko senken kann.

Tierexperimentell wurde Ähnliches beobachtet: Mäßiges Training erhöhte in Mausmodellen die IgA-Produktion im Darm und verbesserte damit die Abwehr von Darmpathogenen. Insgesamt fördert moderates Training die B-Zell-Funktion und Antikörperbildung, während schwere Überbelastung die Antikörpertiter vorübergehend drücken kann. Auf lange Sicht tragen moderate Aktivitäten somit zu einer starken humoralen Immunität und verbesserten Schleimhautabwehr bei, wogegen sehr intensiver Sport ohne Erholung die humorale Abwehr zeitweise schwächen kann.

Zytokinantworten bei körperlicher Aktivität

Zytokine sind Botenstoffe, die Immunzellen untereinander und mit anderen Geweben kommunizieren lassen. Bewegung löst ein charakteristisches Zytokinmuster aus, das von Intensität und Dauer abhängt. Ein prominentes Beispiel ist Interleukin-6 (IL-6), welches bei Muskelkontraktion als Myokin freigesetzt wird. IL-6 kann während längerer Ausdauerbelastung extrem ansteigen (bis auf das 100-Fache des Ausgangswerts).

Diese IL-6-Ausschüttung bei akutem Training hat multiple Funktionen: Zum einen stimuliert IL-6 die Energiemobilisierung (u. a. erhöhte Glukosebereitstellung und gesteigerte Lipolyse zur Versorgung der arbeitenden Muskulatur). Zum anderen wirkt IL-6 immunmodulatorisch: Es initiiert zunächst proinflammatorische Signalwege, triggert aber gleichzeitig antiinflammatorische Kaskaden, indem es die Freisetzung von IL-1ra und IL-10 anregt. Nach dem Sport hilft IL-6 somit mit, die Immunantwort wieder einzubremsen und das immunologische Gleichgewicht herzustellen. Typischerweise normalisiert sich der IL-6-Spiegel innerhalb von etwa 24 Stunden nach einer einmaligen Belastung.

Moderates Training zeigt eine zweifache IL-6-Wirkung: Akut kommt es zum kontrollierten Anstieg von IL-6, was als kurzfristiges „Alarm“-Signal für das Immunsystem fungiert; langfristig hingegen führt regelmäßige moderate Bewegung zu einer Reduktion chronisch erhöhter IL-6-Werte und damit zu weniger inflammatorischem Stress im Ruhezustand. Klinische Studien berichten, dass Wochen bis Monate moderaten Ausdauertrainings erhöhte IL-6-Spiegel bei verschiedenen Patientengruppen (z. B. Nierenkranke, Diabetiker) signifikant senken können.

Parallel dazu verändert moderate körperliche Aktivität die Balance anderer Schlüssel-Zytokine. Tumornekrosefaktor α (TNF-α), ein Hauptmediator systemischer Entzündung, wird durch Bewegung beeinflusst: Akut kann moderates Training über sympathische β₂-Adrenorezeptoren auf Immunzellen eine Hemmung der TNF-α-Produktion bewirken. Langanhaltend führt regelmäßige moderate Aktivität dazu, dass TNF-α-Basisspiegel niedrig bleiben bzw. sinken, was chronische Entzündungsaktivität mindert. Beispiele hierfür sind Untersuchungen, in denen mehrmonatiges Training die TNF-α-mRNA-Expression in Makrophagen bei Tieren senkte oder in denen übergewichtige Personen nach Trainingsintervention geringere TNF-α-Spiegel aufwiesen.

Gleichzeitig verstärkt moderate körperliche Belastung antiinflammatorische Zytokine wie Interleukin-10 (IL-10). IL-10 ist ein entzündungsdämpfendes Zytokin, das die Produktion von TNF-α und anderen Mediatoren hemmt. Untersuchungen zeigen, dass moderate Ausdauerprogramme IL-10-Spiegel erhöhen – sowohl bei gesunden älteren Menschen als auch bei Patienten mit chronischen Entzündungsleiden (z. B. Lupus). Auch bei chronischer Erschöpfung (CFS) wurde nach moderater Aktivität eine signifikante IL-10-Zunahme beschrieben. Diese IL-10-Antwort trägt dazu bei, dass moderate Bewegung längerfristig eine antiinflammatorische Umgebung schafft. In Tiermodellen verbesserten sich unter moderatem Training IL-10-Spiegel parallel zu geringerer Gewebsentzündung und besserer Immunfunktion.

Intensive körperliche Belastung hingegen zeichnet sich durch markante akute Zytokin-Ausschüttungen aus, die eine stärkere Entzündungsreaktion reflektieren. Nach sehr anstrengenden Ausdauerleistungen (z. B. Ultramarathon) werden extrem hohe IL-6- und TNF-α-Konzentrationen gemessen, die teils noch über 24 Stunden erhöht bleiben. Dieser Überschuss an entzündungsfördernden Mediatoren kann Gewebe in Mitleidenschaft ziehen: Es wurden z. B. nach Marathonbelastungen gesteigerte Zytokinexpression in Leber, Herz, Muskulatur und Darm beschrieben, verbunden mit oxidativem Stress und Mikroschäden.

Der Körper reagiert auf die akute Zytokinwelle mit Gegenregulation: Oft steigt IL-10 nach intensiven Belastungen stark an, um die Entzündung einzudämmen. Allerdings ist die IL-10-Antwort bei Überbelastung nicht immer ausreichend; einige Studien an Hochleistungssportlern beschrieben trotz starker TNF-α-Erhöhung keine adäquate IL-10-Steigerung, was auf eine unangemessene Entzündungsauflösung hindeuten kann. Wiederholte sehr intensive Trainingsbelastungen können zudem zu einer anhaltenden leichten Entzündung führen: Bei Athleten mit chronischer Überlastung werden häufig erhöhte Basiswerte von Entzündungsmarkern wie TNF-α beobachtet.

Insgesamt ergibt sich folgendes Bild: Moderate Bewegung bewirkt ein harmonisiertes Zytokinprofil mit effektiver initialer Aktivierung (IL-6-Anstieg) und starker Gegenregulation (IL-10-Anstieg, TNF-α-Senkung), was langfristig zu weniger chronischer Entzündung beiträgt. Hochintensive Belastung löst hingegen stürmische Zytokinreaktionen aus, die vorübergehend proinflammatorisch dominieren und erst verzögert kompensiert werden, was eine Überlastung des Immunsystems begünstigen kann.


Akute versus chronische Auswirkungen von Bewegung

Körperliche Aktivität ruft unmittelbare (akute) Immunveränderungen hervor, während langfristiges Training zu Anpassungsprozessen führt.

Akute Effekte

Bereits eine einzelne Trainingseinheit aktiviert das Immunsystem auf vielfältige Weise. Innerhalb von Minuten bis Stunden kommt es zur Mobilisierung von Immunzellen ins Blut (z. B. Neutrophilie, Lymphozytose während der Belastung, gefolgt von Lymphopenie danach) und zur Ausschüttung von Stresshormonen und Zytokinen. Diese akute Antwort hat eine doppelte Rolle: Zum einen verbessert sie während der Belastung die Immunüberwachung (mehr zirkulierende Abwehrzellen), zum anderen setzt sie Reparaturmechanismen in Gang (Entzündungsmediatoren für Gewebsanpassung). Allerdings kann nach besonders intensiver Anstrengung eine vorübergehende Phase verminderter Immunreaktivität auftreten („Open Window“). In dieser Phase sind z. B. NK-Zell- und T-Zellfunktionen gedrosselt und die Schleimhautimmunität (IgA) vermindert, sodass Infektionserreger leichter eindringen können.

Die akuten Immunveränderungen sind in der Regel vorübergehend. Bei moderater Intensität pendeln sich die meisten Parameter innerhalb weniger Stunden oder bis zum nächsten Tag wieder auf Normalniveau ein. Die akute Immunantwort auf Bewegung kann als „trainingsinduzierter Entzündungsreiz“ verstanden werden, der – solange er nicht übermäßig ist – Anpassungen triggert, die den Organismus später widerstandsfähiger machen.

Chronische Effekte (Training)

Wiederholte körperliche Aktivität führt zu Anpassungen des Immunsystems. Regelmäßiges moderates Training wirkt wie ein Immunbooster: Die Ruhewerte bestimmter Immunzellen und -faktoren verändern sich positiv. Trainierte Personen zeigen häufig höhere NK-Zellaktivitäten, effizientere Phagozyten und eine vermehrte Expression antiinflammatorischer Mediatoren. Langfristiges Ausdauertraining erhöht z. B. basal den Antioxidantienschutz in Immunzellen (wodurch weniger oxidative Schäden entstehen) und senkt chronische Entzündungswerte (z. B. CRP, TNF-α). Impfstudien zeigen zudem, dass Personen mit aktivem Lebensstil oft eine stärkere Antikörperantwort auf Impfungen entwickeln.

Insgesamt führt konsequentes Training zu einem „trainierten Immunsystem“, das effizienter arbeitet und im Alltag schneller auf Pathogene reagiert. Gleichzeitig treten bei moderat Trainierten seltener chronische, niedriggradige Entzündungen auf (Reduktion von „Inflammaging“), was zu einem robusteren Gesundheitszustand beitragen kann. Allerdings hängen diese vorteilhaften Adaptationen stark von der Dosis ab: Chronisches Übertraining ohne ausreichende Erholungsphasen kann die positiven Anpassungen umkehren und in einen Zustand chronischer Immunbelastung münden.

Zusammenfassend sind akute Immunantworten auf Bewegung transient und intensitätsabhängig, während langfristige Trainingseffekte die Immunkompetenz nachhaltig beeinflussen – im positiven Sinne bei moderatem Training, im negativen Sinne bei dauerhafter Überbelastung.


Unterschiede zwischen moderater und intensiver Belastung

Der Intensitätsgrad körperlicher Belastung ist ein entscheidender Faktor für die Art der Immunantwort. Viele Effekte des Sports auf das Immunsystem werden in der Literatur im Sinne einer J-förmigen Dosis-Wirkungs-Beziehung beschrieben: Mäßige, regelmäßige Bewegung senkt im Vergleich zu einem inaktiven Lebensstil das Infektionsrisiko und verbessert die immunologische Gesundheit, während sehr intensive, lange oder häufige Belastungen die Immunabwehr vorübergehend schwächen und mit erhöhter Infektanfälligkeit einhergehen können. Epidemiologische Studien berichten, dass Freizeitsportler, die moderat trainieren, seltener an banalen Infekten der oberen Atemwege erkranken als Personen mit sitzendem Lebensstil. In prospektiven Untersuchungen sank die Rate an Erkältungen bei Probanden, die regelmäßig moderat aktiv waren, signifikant im Vergleich zu Unsportlichen.

Demgegenüber berichten Hochleistungssportler insbesondere in intensiven Trainingsphasen oder nach Wettkämpfen häufiger von Infekten (z. B. Atemwegsinfektionen) – Infektionsausfälle gehören neben Verletzungen zu den Hauptgründen für Trainingsausfall im Leistungssport. Diese Beobachtungen führten zum Konzept der „J-Kurve“: Moderates Training stärkt die Immunabwehr, wohingegen übermäßiges Training jenseits eines individuellen Schwellenwerts einen Anstieg des Infektionsrisikos nach sich ziehen kann.

Dabei spielen häufig zusätzliche Begleitfaktoren eine Rolle – etwa psychosozialer Stress, Schlafmangel, Reisen, Energiemangel und Mikronährstoffdefizite. Deshalb wird diskutiert, inwieweit das Training per se die höhere Infektanfälligkeit verursacht oder ob Kombinationseffekte vorliegen. Nichtsdestotrotz gilt in vielen Arbeiten: Moderate Intensität (häufig als etwa 40–60 % VO₂max oder eine subjektiv „mäßige“ Belastung beschrieben) und ein angemessener Umfang rufen die besten immunfördernden Effekte hervor, während sehr hohe Intensitäten oder Marathon-Distanzen ein zeitweises „Loch“ in der Immunabwehr begünstigen können.

Auf zellulärer Ebene spiegeln sich diese Unterschiede deutlich wider: Bei moderater Belastung werden Immunzellen aktiviert, ohne übermäßig verbraucht zu werden – z. B. kann sich die Phagozytosekapazität neutrophiler Granulozyten erhöhen, NK-Zellen zirkulieren vermehrt und bleiben funktionstüchtig, und T-Zell-Helferfunktionen (Th1 wie Th2) können ausgewogen angeregt werden. Bei hoher Intensität hingegen kommt es nach der initialen Aktivierung oft zu einer raschen Ermüdung oder Reduktion einzelner Funktionen: NK-Zellen verlieren vorübergehend Zytotoxizität, T-Zellen schütten weniger IFN-γ aus, und B-Zellen produzieren weniger Immunglobulin bzw. die Immunglobulinspiegel sinken transient. Gleichzeitig werden Stresshormone wie Kortisol vermehrt ausgeschüttet, was dämpfend auf Immunreaktionen wirken kann.

Neben der J-Kurve wird von manchen Autoren auch eine S-förmige Beziehung diskutiert: Hierbei wird angenommen, dass Eliteathleten durch langjähriges Training eine gewisse Immunanpassung erfahren, welche die negativen Effekte sehr hoher Belastungen etwas abflacht. Dennoch bleibt auch bei ihnen ein schmaler Grat: Unzureichende Erholung oder zusätzliche Belastungsfaktoren können die Abwehr schwächen. Daher gilt für alle Intensitätsbereiche die Empfehlung, auf ausgewogene Trainingssteuerung, ausreichende Regeneration und unterstützende Faktoren (z. B. adäquate Energie- und Nährstoffzufuhr) zu achten, um positive immunologische Effekte zu maximieren und negative zu minimieren.

Abbildung: Vereinfachte Darstellung der J-förmigen Beziehung zwischen Trainingsbelastung und Infektanfälligkeit. Menschen mit wenig Bewegung haben ein höheres Risiko für Infekte. Regelmäßige, moderate körperliche Aktivität ist mit dem niedrigsten Infektionsrisiko verbunden. Bei sehr intensiver oder häufiger Belastung ohne ausreichende Erholung steigt das Infektionsrisiko wieder an. Bei gut trainierten Leistungssportlern kann sich diese Kurve durch langfristige Anpassungen etwas abflachen, was auch als S-förmige Beziehung beschrieben wird (Nieman, 1994; Gleeson, 2006).


Übertraining und immunologische Folgen

Übertraining bezeichnet einen Zustand, in dem sehr hohe Trainingsumfänge und -intensitäten über längere Zeit ohne ausreichende Regeneration stattfinden, was zu Leistungsabfall, Erschöpfung und verschiedenen körperlichen Dysfunktionen führen kann. Ein zentrales Merkmal des Übertrainingssyndroms sind Immunstörungen und eine erhöhte Infektanfälligkeit. Die immunologischen Folgen von Übertraining lassen sich als verlängerte oder wiederholte „Open-Window“-Phasen verstehen: Normalerweise erholt sich das Immunsystem einige Stunden nach Belastung; beim Übertraining reiht sich jedoch eine neue Belastung in die noch nicht abgeschlossene Erholungsphase der vorherigen ein. Dadurch kann eine kumulative Immundysregulation entstehen, bei der das Immunsystem chronisch belastet ist.

Typische immunologische Befunde bei Übertraining sind: niedrige Lymphozytenzahlen (insbesondere weniger zirkulierende T-Helferzellen und NK-Zellen in Ruhe), verminderte Funktionen der Immunzellen (z. B. reduzierte NK-Zell-Zytotoxizität, geringere neutrophile Oxidativkapazität) und erniedrigte Immunglobulinspiegel (vor allem sekretorisches IgA). Überlastete Athleten zeigen häufig persistierend subnormale Speichel-IgA-Werte, was mit gehäuften Atemwegsinfekten einhergeht. Auch Entzündungsmarker in Ruhe können erhöht sein (chronisches Entzündungsmilieu), z. B. erhöhte TNF-α- und IL-6-Spiegel, die auf einen anhaltenden Stresszustand des Immunsystems hindeuten. Begleitend wird oft ein erhöhter Kortisolspiegel beobachtet, der als Stresshormon immundämpfend wirken kann und bei chronischer Belastung seine normale tagesrhythmische Dynamik verlieren kann.

Klinisch fällt Übertraining durch vermehrte Infektanfälle (insbesondere wiederkehrende Erkältungen oder Infekte ohne klare Ursache) auf. Betroffene berichten häufig von Halskratzen, Infektgefühl oder leicht erhöhter Temperatur, was die Fortsetzung des Trainings weiter erschwert. Im Leistungssport wurden in Phasen hoher Trainingsbelastung auch ungewöhnliche oder reaktivierte Infektionen beschrieben (z. B. Herpesvirus-Reaktivierungen), was die Relevanz der Immunbelastung unterstreicht.

Der Mechanismus hinter einer übertrainingsassoziierten Immundysregulation ist multifaktoriell: Wiederholte hohe Muskelbelastungen und Mikrotraumata können zu einer Daueraktivierung angeborener Immunreaktionen führen (chronisch erhöhte Zytokinlevel wie IL-6 und akute Entzündungsmediatoren). Gleichzeitig kann es zu einer Leukozytendysregulation kommen – die ständige Mobilisierung und Umverteilung von Immunzellen beansprucht deren funktionelle Reserve. Ressourcen wie Glutamin, das für Immunzellproliferation wichtig ist, können bei extremer Belastung sinken. Zudem kann eine erhöhte Darmpermeabilität bei sehr lang andauernder Ausdauerbelastung endotoxischen Stress und systemische Entzündung triggern. All dies kann zu einem Zustand führen, in dem die Abwehrleistung reduziert und die Infektanfälligkeit erhöht ist.

Wichtig ist, dass Übertraining ein extremes Ende des Belastungsspektrums darstellt. Durch Prävention – periodisierte Trainingspläne, ausreichende Regeneration, guter Schlaf, Stressmanagement und adäquate Ernährung – lässt sich das Risiko verringern, dass das Immunsystem in einen dysfunktionalen Zustand gerät. Für Trainer und Sportmediziner ist es essenziell, Warnsignale frühzeitig zu erkennen (Leistungsknick, Ruhepulsanstieg, erhöhte Infektanfälligkeit) und entsprechend gegenzusteuern.

Abbildung: Schematische Darstellung des sogenannten „Open-Window“-Phänomens. Nach einer sehr intensiven Trainingseinheit sinkt die Immunfunktion für einen begrenzten Zeitraum unter das normale Niveau. Dieses „offene Fenster“ kann etwa 3 bis 72 Stunden dauern und ist mit einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen verbunden. Werden intensive Belastungen wiederholt, ohne dem Körper ausreichend Erholung zu geben, kann sich diese Phase verlängern. In der Folge kann es zu einer anhaltenden Schwächung des Immunsystems kommen, wie sie beim Übertrainingssyndrom beobachtet wird (Nieman, 1994; Walsh et al., 2011).


Fazit

Körperliche Aktivität beeinflusst das Immunsystem auf vielschichtige Weise. Akut führt Bewegung zu einer Mobilisierung und Aktivierung von Immunzellen sowie zu vorübergehenden Verschiebungen in deren Verteilung und Funktion. Moderate Belastung wirkt dabei wie ein Immun-Booster: Sie steigert Abwehrzellen (Neutrophile, NK-Zellen) in Zahl und Leistungsfähigkeit, verbessert die Balance der T- und B-Zell-Antworten und fördert ein antiinflammatorisches Milieu. Regelmäßige mäßige Bewegung senkt langfristig das Risiko für Infektionskrankheiten und kann immunologischen Alterserscheinungen entgegenwirken.

Sehr intensive oder lang andauernde Belastungen können unmittelbar nach der Anstrengung ein anfälliges Zeitfenster begünstigen, in dem bestimmte Immunparameter vorübergehend gedrosselt sind („Open Window“). Dieser Effekt ist meist transient, kann aber bei fehlender Erholung kumulieren und in chronische Immundysfunktionen münden. Besonders Übertraining – anhaltende Überbelastung ohne ausreichende Regeneration – ist mit einer Immundysregulation verbunden, die sich in häufigeren Infekten und verminderter Immunfunktion äußern kann.

Der aktuelle Stand der Forschung betont daher eine dosisabhängige Beziehung zwischen Trainingsumfang/-intensität und Immunfunktion: Regelmäßige, moderate Aktivität fördert die Immunabwehr, während extreme Intensitäten und ein Übermaß an Training – insbesondere ohne Regeneration – tendenziell immunologisch ungünstig wirken können. Individuell optimiertes Training mit richtiger Dosis, Pausen und Ernährung kann somit als wirksames „Immuntherapeutikum“ im Alltag betrachtet werden, das angeborene und adaptive Abwehrmechanismen unterstützt, Entzündungen reguliert und die Gesundheit fördert. Die Herausforderung besteht darin, die Balance zu halten: genug Bewegung, um das Immunsystem zu stimulieren, aber nicht so viel, dass die Reservekapazität überschritten und das System überlastet wird.


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